Wasser, Wind und Schlösser
von Wolfgang Möller
Leinakanalfreunde auf Entdeckertour im mittleren Nessetal
VG „Mittleres Nessetal“. Was wäre die Nesse ohne den Leinakanal? Ein unscheinbares Flachlandflüsschen! Das Leinakanal-Flößgraben-System überwindet die Wasserscheide Elbe/Weser und entwässert den Nordhang des Thüringer Waldes in den Flutgraben. In der Nähe des ehemaligen Wangenheimer Bahnhofs mündet dieser in die Nesse und verstärkt sie erheblich. Dort trafen sich am 5. November die Mitglieder des Freundeskreises Leinakanal zum zweiten Teil ihrer Nessetal-Exkursion Wangenheim – Brüheim. Einige Wochen zuvor hatten sie zwei weiteren Mitglieder der Verwaltungsgemeinschaft „Mittleres Nessetal“ besucht: Sonneborn und Friedrichswerth.

Stefan Rathgeber, Hauptakteur des Festumzuges, der Festschrift und des Bildbandes anlässlich der 1225-Jahrfeier von Sonneborn im Juni diesen Jahres vermittelte den Schlingelfreunden einen Ortskundigen bester Sorte: Matthias Mähler. Der Ortschronist zeigte den Gästen bekannte und verborgene Sehenswürdigkeiten. Man höre und staune, Sonneborn hatte einmal vier Schlösser, von denen nur noch das Gelbe Schloss erhalten ist. Außerdem ist das Gebiet reich an Fließgewässern: die Nesse, der Arzbach, der Gliemsgraben, der Kirchgraben, der Windenbach, der Leimbach und der Weyher, eine Karstquelle mit dem Sumpfer als Abfluss und Namensgeber für den Ort (Sunneborn).

Auch in Friedrichswerth spielte das Wasser einst eine große Rolle. Bürgermeister und Heimatvereinsvorsitzender Jörg Möller wohnt im alten Mühlengebäude gleich neben dem Schloss. Dort begrüßte er die Gruppe und erzählte vom einstigen Glanz des Wasserschlosses, von der Nesse-Schifffahrt im 17. Jahrhundert und von der Verlagerung des Flussbettes in den 1980er-Jahren. Ernst der Fromme hegte seinerzeit sogar Pläne, Kähne mit Waren auf der Hörsel in Richtung Werra – Weser zu transportieren. Sein Sohn Friedrich I. von Sachsen-Gotha und Altenburg war der Erbauer des dreiflügligen Barockschlosses (1689), wo man in den prunkvollen Räumen feierte und in der ausgedehnten Parkanlage flanierte. Die Regierungsgeschäfte fanden eher auf Schloss Friedenstein in Gotha statt.

Auf dem Weg nach Brüheim machte die Gruppe einen Abstecher nach Tüngeda, im Wartburgkreis gelegen. Dort grüßten auf der Höhe die mehr als 150 Meter hohen Räder des größten Thüringer Windparks. Auf diese Weise wurde auch die Bockwindmühle aus dem Jahre 1840 zur Energieumwandlung genutzt. Werner Rockstuhl, Chef der Interessengemeinschaft Bockwindmühle, wusste mit einem frohen „Glück zu!“ viele Begebenheiten und so manches Schnärzchen aus der Geschichte der Mühle zu erzählen. Gleichwohl traf das auf den zirka 300 Jahre alten, wassergefüllten Erdfall am Rande von Tüngeda zu, den die Leinakanaler selbstredend in Augenschein nahmen.

Den Abschluss der Entdeckertour bildete Brüheim, wo sie vom amtierenden Bürgermeister Heiner Both begrüßt wurden. Bürgermeister a.D. Eberhard Möller zeigte den Gästen das Dorf, wo sich in den vergangenen 15 Jahren einiges getan hat. Sein Kredo: „Man muss etwas schaffen, damit sich die Menschen hier wohl fühlen.“ Der Verdienst beider Bürgermeister: In den Häusern des Ortes gibt es keinen Leerstand. Das Areal rund um die St. Viti-Kirche mit Edelhof, Käseburg, Bahnhof und Rinderoffenstall (heute Geflügelzuchtverein) ist zu einem Schmuckstück geworden. Möller beklagte zunächst, dass die Nordgemeinden des Landkreises in den ersten Nachwendejahren recht stiefmütterlich behandelt worden waren. Heute fließen die Fördermittel reichlicher, so dass demnächst der Abschnitt des Radfernweges Erfurt – Eisenach auf der abgerissenen Bahntrasse „Bufleben – Madrid“ in Angriff genommen werden kann. Im vorbildlich sanierten Edelhof haben die Bibliothek, die Feuerwehr, der Heimatverein und die Landfrauen ihr Domizil gefunden. Im Torhaus saßen die Leinakanalfreunde noch lange mit Eberhard Möller am Kamin zusammen, schwärmten von alten Zeiten (zum Beispiel, als sie noch bei der Urania waren) und besprachen neuen Herausforderungen. Schließlich freuten sich Herausgeber Hartmut Kraußer, als er unser Leinakanalbuch in den Regalen der Bücherei entdeckte.

